Immer wieder im November werde ich vom Schicksal auf die Endlichkeit unseres Leben hingewiesen. Immer wieder im November werde ich mit Sterbefällen in meinem Umfeld konfrontiert…
Ich bin im November geboren, eigentlich müsste das mein Lieblingsmonat sein. Als ich ein kleines Kind war, war er das auch. Der November war toll, zwar wurde es da schon Winter und an Kindergeburtstag im Freien feiern war nicht mal zu denken… aber ich freute mich darauf.
Anfang November gab es in meinem Geburtsort einen Jahrmarkt und zu diesem Anlass auch mehrere Karussells und Fahrgeschäfte. Und das wirklich tolle für uns war, diese wurden in Sichtweite unserer Wohnung aufgebaut und fuhren auch das Wochenende davor und danach. Als Kind ein echtes Highlight.
Nie waren meine Schwester und ich bei unseren Mitschülern oder Freunden so beliebt wie genau in dieser Zeit… denn es war ja toll zu dem Rummel zu gehen und dann konnte man ja leicht mal bei Uschi klingeln und fragen ob sie mit kommt.
Wir wohnten damals in der Straße hinter dem Kinderkarussell. Meine Schwester hat sogar mal eine Postkarte von einer Mitschülerin bekommen auf der die Straßenangabe fehlte und stattdessen eine Skizze von dem Viehmarktplatz auf dem die Karussells jedes Jahr stehen und die Angabe “Straße hinter dem Kinderkarussel” und die Hausnummer… und diese Karte kam tatsächlich an!
Nach dem Jahrmarkt mit den Karussells und dem Trubel drum rum dauterte es nicht mehr lange und es war Advent und Weihnachten. Als Kind mochte ich diese Zeit.

Bis meine Oma verstarb, es war Ende Oktober oder Anfang November … ich weiß es nicht mehr. Wie so vieles aus der Zeit. Denn ihr Tod hat mich offensichtlich sehr mitgenommen. Es war das erste mal das ich Sterben so bewusst mitbekommen habe. Und ihre Beerdigung war ausgerechnet in meinem Monat…
Ich hab an den Geburtstag der mein 11 oder 12 gewesen sein muss gar keine Erinnerung… an so vieles hatte ich plötzlich keine mehr.
Selber weiß ich eigentlich nur das ich in dem Schuljahr extrem oft meine Hausaufgaben oder meine Schulbücher vergessen hatte und deshalb sehr oft Einträge im Klassenbuch bekam… Ärger, den ich aber gar nicht wirklich kapierte, irgendwie vergaß ich auch den.
Erst Jahre später hat meine Mutter mir erzählt das ich wohl Wochen oder Monatelang wie in einem Schockzustand war, ich wusste fast nichts mehr, weder Wochentag noch Datum, konnte die Uhr nicht mehr lesen, wusste keine Vokabeln mehr und konnte von einer Woche auf die nächste keine deutsche Rechtschreibung mehr.
In der Schule fiel dieser Zustand besonders auf, ich lieferte Aufsätze mit 5-6 Seiten ab und bekam sie zurück mit der Note “Unleserlich”. Beim Schreiben vergaß ich immer wieder Buchstaben oder Worte oder schrieb Sätze nicht zu Ende.
Dieser verwirrte Zustand regenerierte sich ohne Hilfe von außen wieder. Irgendwann kam nach und nach alles wieder. Dennoch blieb die Angst vor dem November.
Ein Jahr später eigentlich beinahe zum Todestag meiner Oma starben in unserer Straße rein zufällig gleich 3 alte Leute innerhalb einer Woche… Ich entwickelte eine Angst: “wer stirbt als nächstes”. Und meine Vergesseritis vom Jahr davor war für ein paar Tage wieder da.
Nur 2001 war der September schlimmer!
Im September 2001 schob ich etwas die Kriese, der Hype um das Millienum war schon längst vergessen und ich kam ins Grübeln:
- ich bin seit September 88 in dieser Firma, sooooooo lang
- ich werde in 2 Monaten 30 soooo alt
- ich bin weder verheiratet noch habe ich Kinder und die mega Karriere hab ich auch noch nicht gemacht
…genau über dieses Dinge unterhielt ich mich mit einer Arbeitskollegin in der Toilette und ging dann zurück zum Arbeitsplatz
Dort lief das TV Gerät und ganz viele Kollegen standen einfach nur rum und starrten auf das Fernsehbild. Ich ignorierte das zuerst, bis ein älterer sehr korrekter Kollege zu mir kam, mich vor Kundschaft aufforderte “guck mal da!” … es war der 11. September 2001 und ich sah ein Brennendes Gebäude und ein Flugzeug das in den Turm daneben donnert…
“wasfür ein scheiß Actionfilm” war mein erster Gedanke, doch leider war es kein Film sondern Realität. Tagelang verfolgte ich die Berichterstattung… so lange bis ich im Schlaf ständig Flugzeuge in Gebäude fliegen sah…
In den Folgenden Jahren war der September mein Horror-Monat, ich war meist froh wenn er rum war.
Das hat sich jetzt allerdings wieder geändert. Schon wieder häufen sich jedes Jahr im November die Hiobsbotschaften. Fast alle Sterbefälle in meiner Verwandtschaft waren im Januar oder November… also im Winter. Und je mehr solcher Botschaften mich erreichen umso schlechter wird mein Bild vom November und dem Spätherbst/Winter.
immer wieder im November
Immer wieder im November wird es für mich schwieriger nicht in eine depressive Stimmung zu geraten. Es wird dunkler, es wird kälter und alles ist so trübe und oft sinnlos. Ich muss echt an meinem eigenen Denken und Fühlen arbeiten um mich nicht in Selbstmitleid und trüben Gedanken zu verstricken.
Selbst hier beim Blog schreiben fällt es mir diesen Monat schwer. Obwohl ich eine Woche Urlaub hatte und genügend Zeit gehabt hätte mich hin zu setzen und ein paar der vielen Ideen die in meinem Kopf und schon zum Teil auf dem Rechner warten, umzusetzen. Ideen hatte ich vor dem Urlaub genug, gleich eine ganze Liste an Themen die ich diese Woche “verbloggen” wollte. Doch letztlich sind nur drei angefangene Texte entstanden und ich hab nichts gescheites veröffentlicht.
In den letzten 2 Wochen haben mich mal wieder viele schlechte Nachrichten erreicht. Gleich mehrere Personen in meinem Bekanntenkreis liegen mehr oder weniger im Sterben. Da kommt immer wieder die Aussage “man weiß nicht ob die Person Weihnachten noch erlebt”.
Immer wenn ich diese Aussage höre werde ich sehr traurig. Nicht nur weil der Mensch von dem gesprochen wird vielleicht in 2 Monaten nicht mehr da ist. Dieser Satz ist für mich ein Inbegriff für Hoffnungslosigkeit. Ich frage mich “warum ist es so wichtig das derjenige Weihnachten erlebt?” Ist es wenn ein Mensch sterben muss nicht egal ob er am 20.12. oder am 28.12. geht? Sind die Tage dazwischen wirklich wichtig? Machen diese paar Tage glücklich?
Wenn jemand schwer krank ist und auf Krankenhaus oder Pflegepersonal angewiesen ist, dann würde ich ihm doch eher wünschen das es den personellen Engpass über die Festtage nicht noch erleiden muss. Jeder weis das alle an den Feiertagen frei haben wollen, auch die Ärzte und Pflegekräfte… warum sollte es erstrebenswert die letzten Tage des Lebens auf die paar wenigen Leute die Feiertags arbeiten angewiesen zu sein?
…immer wieder im November
Ich bin gar nicht sicher ob es wirklich eine statistische Häufung mit Todesnachrichten gibt, gestorben wird immer. Aber im November treffen diese mich wohl stärker.
Aktuell trauere ich um zwei gute Bekannte, die wohl dieser Tage gehen müssen.
Die eine Person hat Bauchspeicheldrüsenkrebs und viele Metastasen, und sie ist gerade im Begriff essend zu verhungern, weil ihr Körper die aufgenommenen Nährstoffe nicht mehr verarbeiten kann. Es war im Gespräch sie über einen Venenzugang zu ernähren… aber das funktioniert auch nur vorübergehend und ich frage mich ernsthaft was sie davon hat. Nur etwas mehr Zeit um kraftlos dahin zu siechen und abzuwarten bis die Scherzen die durch die anderen Tumore ausgelöst werden noch schlimmer werden…
Eine andere Person in eine Umfeld ist schon sehr alt, und schon lange gebrechlich und einsam. Nun hat sie einen gebrochenen Wirbel und man muss davon ausgehen das dieser nicht mehr heilt, operativ kann auch nichts mehr gemacht werden da ihre Knochen durch Osteropose so brüchig sind das die Wahrscheinlichkeit das nach einer Versteifung gleich der nächste Wirbel bricht. Sie muss liegen und man geht davon aus das sie nie wieder aus eigener Kraft aufstehen kann… schrecklich!
Diese Person hat leider nicht die Spur von Demenz und bekommt alles genau mit, sie leidet schrecklich unter der Situation und möchte sterben!
Ich benühe mich um einen positiven Schlusssatz
Wenn ich an diese beiden Personen denke kommen mir Tränen und ich ringe gerade wirklich um irgendeinen positiven Schluss für diesen Text.
Trotzdem Dankbar sein!
Der einzige Schlüssel der mir einfällt ist Dankbarkeit. Ich bin dankbar das ich nicht in einer solchen Situation bin. Ich bin Dankbar für meine Gesundheit!!!
Hey Juhu, ein leichter Muskelkater ist das einige was ich heute morgen als Wehwehchen bejammern könnte. Mir geht es eigentlich super gut. Dennoch bin ich traurig.
Ich danke meinem Gott und Schöpfer für meine Gesundheit und mein bisheriges Leben. Und ich bete das er mich vor so eine Schicksal bewahrt.
Danke für diesen ehrlichen Text!🙂
Eigentlich müsste ich anstelle eines “Like Sternchen ” hier einen weinenden Emoji markieren können. Das ist so traurig.
Der November ist nur ein Monat von zwölfen und geht auch vorbei, sei stark und schau nach vorne 😘.
PS: Ich mag den Februar nicht.
LG Nina
Danke für Deinen netten Kommentar