Für den Samstagsplausch bei Kaminrot am 21.5.2022 erzähle ich Euch von meiner gestrigen Zugreise von Basel nach Hamburg.
Als ich heute morgen um 7.14 in Basel in den Intercity 78 eingestiegen bin hatte ich noch keine Vorstellung wie die Fahrt sein würde. In der Navigator App der deutschen Bahn hatte es angezeigt das der Zug vermutlich ab Mannheim oder Frankfurt seht voll werden würde. Das ist meisten so, und spätestens am Kassel oder Göttingen wird es wieder leerer. Aber heute war es anders!
Ich saß zuerst im zweitletzten Wagen im Ruhebereich. Als ich kurz mit einem Fahrgast in der nächsten Reihe sprach wurden wir vom Vordermann barsch auf diesen Umstand hingewiesen… ob dieser ahnte das es nur bis Freiburg wirklich ruhig bleiben würde?
In Freiburg stiegen extrem viele Fahrgäste ein. Und die meisten davon mit roten T-Shirts bekleidet. Zuerst dachte ich mir da nix bei und dachte das ist vielleicht eine Reisegruppe. Aber es wurden immer mehr. Es waren so viele Fahrgäste, das versehentlich die Türen des Zuges zu früh zu gingen und sie nochmals geöffnet werden mussten. Auf den T-Shirts stand oft “Schwarzwaldmilch” und ich erkannte erst langsam das es sich um Fussballfans des SC-Freiburg handelt. Bestimmt 15-20 Minuten lang waren alle Gänge komplett verstopft und ich hoffte das ich meinen Sitzplatz behalten konnte. Doch dann kam eine Dame und behauptete ich sässe auf ihrem Platz obwohl an der Anzeige stand “nicht reserviert”. Ich gab den Platz frei und und zog um in das Fahrradabteil. Dort gibt es zwei Klappsitze die ich nutzen konnte um meine Beine hoch zu legen. Doch auch da blieb ich nicht lange alleine. Der Zug war mittlerer Weile komplett voll besetzt.
Bei jedem Halt kam oder ging jemand mit einem Fahrrad und es war jedes Mal eine logistische Herausforderung das Rad raus oder rein zu kriegen. Mein Platz befand sich im Grunde im “Rangierbereich” der Fahrräder und ich musste jedes Mal aufstehen und nicht selten helfend eingreifen.
SC-Freiburg spielt im DFB-Pokal Finale
Da ich mich normalerweise nicht für Fussball interessiere wusste ich das nicht. Das Spiel findet Samstag Abend in Berlin statt. Ich hatte nicht damit gerechnet das dadurch Züge am Freitag schon überfüllt sind. Für die Freiburger Fans ist dies was ganz besonderes denn so erfolgreich war die Mannschaft schon lange nicht mehr. Für einen Freiburg-Fan ist es eine Ehrensache bei so einem wichtigen Spiel dabei zu sein. Wobei ich sogar Gespräche von Fahrgästen gehört habe die in Berlin das Spiel nicht im Station sondern beim Public Viewing verfolgen.
Für das fast ausverkaufte Spiel gibt es nur noch wenige Tickets die ab 189€ bis über 800€ kosten. Mir persönlich war überhaupt nicht klar das der DFB-Pokal so viele Zuschauer anzieht.
Die in Freiburg zugestiegenen Fussballfans waren meist in Gruppen unterwegs und hatten sich für die Fahrt mit alkoholischen Getränken eingedeckt. Teilweise sogar mit ganzen Bierkisten. Einige hatten Kutten, Schals und Fahnen dabei. Und obwohl das sonst verboten ist betrieben sie in mindestens zwei Wagons einen Subwoofer um Partymusik zu machen. Soweit ich weis ist in Zügen des Nahverkehrs Alkoholkonsum verboten. Aber in einem ICE wo Bier, Wein und Sekt verkauft werden scheint das niemanden zu stören. Die meisten der Fussball-Fans tranken mitgebrachte alkoholische Getränke.
Aufgrund der unten beschriebenen Situation konnte ich kein hübsches Foto von meiner Kaffeetasse machen. Stattdessen gibts ein Foto von einem roten T-Shirt im überfüllten Zug:

Im Fahrrad-Abteil kann man was erleben
Also langweilig wird es im Fahrradbereich nie. Bei jedem Halt musste ich Aufstehen und nach Möglichkeit mich irgendwie aus dem Weg räumen. Was in einem komplett überfüllten Zug gar nicht möglich ist. Die Fahrrad-Besitzer hatten alle grosse Mühe ihre Räder unter zu bringen. Vorgesehen ist das 4 Fahrräder hochkant an einen Haken gehängt werden und nur 4 normal im Ständer stehen. Doch diese Wagenkonstruktion wurde entwickelt als es noch keine E-Bikes gab. Die meisten Elektroräder sind so schwer das die wenigsten Radfahrer das Rad so hoch heben können. Wir anderen “Randabteil-Bewohner” mussten nicht selten mit anpacken damit es gelingt. Ohne unser Eingreifen hätte es noch mehr Rückstau gegeben und die vielen Fahrräder hätten nicht in den Raum gepasst. Das ist dann so ein Moment wenn es zu Zugverspätungen wegen “zu viele Fahrräder” kommt. Weil irgendein Fahrgast mit seinem Rad in der Türe stehen bleiben muss und nix mehr geht.
Mir ist dann irgendwann der Kragen geplatzt und ich hab einfach zwei fremde Räder genommen und korrekt eingehängt. Wobei ich mich mit dem Gewicht der Räder bös verschätzt hatte und ein junger Mann mir zu Hilfe kommen musste.
Manche Radfahrer können nicht damit umgehen
So zum Beispiel eine alte Dame, bestimmt schon längst im Rentenalter die mit ihrem Fahrrad aussteigen wollte. Sie hatte ein modernes E-Bike das sie fast nicht zur Seite heben konnte. Zusätzlich hatte sie noch zwei große Seitentaschen, die sie in dem überfüllten Zug unmöglich anhängen konnte. Die junge Frau die dicht gedrängt mit ihrem Fahrrad neben ihr stand meinte das sei keine gute Idee. Sie fragte ganz doof “ja wie soll ich die drei Sachen aus dem Zug kriegen” zwei andere Fahrgäste erklärten sich bereit ihre Taschen mit aus dem Zug zu nehmen. Eine davon war so schwer das sie sie noch nicht mal über ihr Fahrrad zu dem jungen Mann der sie ihr abnehmen wollte heben konnte. Daraufhin fragte ich sie “sind sie alleine unterwegs” und sie “ja klar!”… Eine alte Frau mit 3 Gepäckstücke die sie selber nicht tragen kann. Wie soll das denn gehen?
Es ging, die Hilfsbereitschaft der Fahrgäste war enorm. Aber was hätte die Frau gemacht wenn keiner da gewesen wäre?
Zwischen all den Fahrräder war auch eine Junge Frau mit einem Kinderwagenähnlichen Gefährt. Es handelte sich um einen Wagen für einen Hund oder Katze. Die junge Dame saß eine Weile neben mir und erzählte mir das sie eine Zuchtkatze abholen fährt. Das Wägelchen ist das Transportmittel für das wertvolle Tier. Das sie nun leer von der Schweiz nach Köln bringt. Mir war nicht ganz klar warum sie das Gefährt nicht zusammengelegt hat, stattdessen nutze sie es lieber als “Kofferkuli”. Sie hatte weder einen Sitzplatz noch hatte sie den Wagen als Kinderwagen oder Fahrrad angemeldet.
Also blockierte sie, genau wie anderen nicht reservierte Fahrräder den Fahrradbereich. Zeitweise waren in dem kleinen Raum doppelt so viele Räder als vorgesehen. Und dazu noch wir Menschen, die uns dort aufhielten weil wir woanders keinen Platz fanden.
Eine Rollende Partymeile
Irgendwann mal machte ich mich auf den Weg zum Bordbistro um mir einen Kaffee zu holen. Mir war schon klar das ich einen weiten Weg haben würde denn ich befand mich im letzten bzw ab Frankfurt im ersten Wagen (Frankfurt ist Kopfbahnhof) und das Bordbistro ist immer in der Mitte zwischen erster und zweiter Klasse. Ich vertraute meinen Koffer einer jungen Frau die neben mir auf dem Boden saß an und sie bekam meinen Sitzplatz. Auf den Weg durch die 8 oder 9 Wagons mit feiernden Fußballfans machte ich mich nur mit meiner Handtasche.
Die Fans in den roten T-Shirts waren bereits sehr angeheitert und standen in den Gängen und prosteten sich zu. Mehrfach musste ich kurz warten weil gerade irgendein Getränk über den Gang hinaus eingeschenkt wurde. Eine Gruppe hatte ein kleines Bierfass dabei und es sah aus als tranken davon 8-10 Personen um die Wette. Aber auch Sekt, Schnapps und Grappa wurde verteilt.
Natürlich wurde auch viel gegessen. Überall sah man Chipstüten und andere Verpackungen herumliegen… es sah aus wie nach einem Volksfest, überall Müll und leere Flaschen!
Ach… habe ich erwähnt das in den Zügen der deutschen Bahn noch eine Maskenpflicht besteht? An diese wurde mehrfach durch Durchsagen erinnert. Aber Du kannst davon ausgehen das jeder der ein Getränk oder einen Snack in der Hand hatte die Maske maximal am am Hals oder Ohr hängen hatte. Für die meisten war es nur noch ein Alibi… ich denke das die wenigsten sie wirklich längerfristig an hatten.
Und Abstand halten geht in einem überfüllten Zug sowieso nicht!
Fahrrad oder Gepäckstück?
Während der Fahrt unterhielt ich mich unter anderem mit einem jungen Mann mit einem Spezial Fahrrad, dieser meinte er könne ja sein Vorderrad aushängen dann sei sein Fahrrad offiziell ein “Gepäckstück”, denn er sei ohne Reservierung für sein Rad unterwegs. Das würde er immer so machen. Manchmal fordern ihn dann die Kontrolleure auf das Rad wirklich zu demontieren, aber wenn es so voll ist kommt eh keiner… Er hatte viel Erfahrung, sein Beruf ist es Fahrradwege ab zu fahren und die Beschilderung zu kontrollieren (Fotografieren). Was es alles gibt, er lebt davon täglich 20-30 km Rad zu fahren. Eine interessante Begegnung.
Er fand wie wir anderen die uns länger in der Nähe der Räder aufgehalten haben diesen Raum auch als zu klein und schlecht geplant. Die Idee der Entwickler war es das ein Teil der Räder hochkant an die Wand gehängt werden. Dies ist aber mit modernen E-Bikes kaum möglich weil diese viel schwerer sind. Hinzu kommt das meist ältere Menschen mit diesen Rädern unterwegs sind und oft nicht die Kraft dazu haben.
Doof finde ich auch das alle Radfahrer durch die schmale automatische Türe müssen, sie ist zwar schon breiter als die anderen Glastüren aber trotzdem für Räder mit seitlichen Taschen zu schmal. Meiner Meinung nach hätte man diese Türe weg lassen können. Überhaupt würde ich die Fahrradständer nicht quer sondern längs zur Fahrtrichtung anordnen.
Für diese Fahrt hätte sich eine Sitzplatzreservierung sicher gelohnt. Wenn man mit einem Fahrrad im ICE mit fährt würde ich sie dringend empfehlen! Mehr darüber unter “Lohnt sich eine Sitzplatzreservierung”
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Was für eine Zugfahrt. Die Fans haben hier dann die Stadt belagert. Aber sie waren alle sehr freundlich.
Liebe Grüße
Andrea
Da hast du ja ganz schön was erlebt!
Ich fand es auch immer unpraktisch, mit dem Rad im Zug und kann mich an meinen Umzug nach Tübingen erinnern, wo ich mit 5 Gepäckstücken und Fahrrad quer durch Deutschland gefahren bin… das war echt anstrengend.
Dass viele Leute ein viel zu schweres E-Bike fahren, das sie nicht unter Kontrolle haben, finde ich nicht nur in der Bahn, sondern auch im normalen Straßenverkehr schwierig…
Liebe Grüße
Nanni
IMMER, Immer muss man seinen Plunder selber tragen können. Wenn jemand hilft, ist das nett, aber darauf angewiesen zu sein, geht irgendwie nicht. Und doch, das Gleiche erlebe ich auf Reisen mit der Klasse: die kleinsten haben die grössten Koffer, und immer, immer lässt sich jemand einspannen. Was lernen Kinder daraus? Liebe Grüsse, Regula
Das hört sich alles aber nicht gut an. Mit meinem Pedelec würde ich niemals eine so große Reise unternehmen.
Mit meinem Pedelec fahre ich allerdings nur in Baden-Württ. mit den Regionalzügen und die sind früh am Morgen noch gar voll besetzt und man hat viel Platz.
Mit der S-Bahn hatten wir allerdings schon Probleme, da hat tatsächlich nicht viel Platz.
Bislang ging alles gut.
Dass die Leute mit den Pedelecs nicht umgehen können ist mir schon klar, sie sind schon schwer, aber auch mit der Fahrweise haben manche Leute Probleme.
Ich bin gespannt, wenn die Fahrradsteuer kommt und vor allem das Nummerschild fürs Pedelec. Es wird kommen und das ist auch in Ordning so.
Viel Spaß weiterhin beim Radeln.
Liebe Grüße Eva