Diese vierte Woche meiner Umschulung ist wie im Fluge vergangen. So viel Neues und Herausforderndes ist auf mich herein geprasselt. Aber es macht mir extrem viel Freude das alles zu entdecken und immer mehr zu verstehen.
Nach vier Wochen lernen hat sich dabei schon etwas Routine entwickelt und mir fällt es immer leichter neue Informationen einzuordnen. Zurückblickend waren nur die ersten zwei Tage so, daß ich dachte, es könnte mir zu viel werden.
Zwischenprüfung bestanden!

Am vergangenen Montag hatten wir eine Zwischenprüfung. Der erste Themenbereich war abgeschlossen und wir mussten einen schriftlichen Test schreiben, der als Nachweis gilt das wir in diesem Themenbereich ausgebildet wurden.
Es war also eine richtige “Prüfungssituation” mit zwei für uns bisher fast fremden Aufsichtspersonen. Für den schriftlichen Test mit 30 Fragen hatten wir 90 Minuten Zeit. Anders als früher in der Schule durften wir währenddessen unser dienstliches Tablett als Nachschlagewerk nutzen. Das war allerdings nur dann wirklich hilfreich, wenn man genau wusste in welchem Nachschlagewerk man wo schauen musste,um die entsprechende Information zu finden. Da für jede Frage maximal 3 Minuten Zeit zur Verfügung standen brachte, das also nur was wenn man sich wirklich im “Handbuch Tarif” oder den “Regelwerken” auskannte.
Und genau darum ging es! Wir müssen auch im Arbeitsalltag nicht immer alles wissen, aber wir müssen wissen wo wir im Bedarfsfall nachschauen können.
Das Ergebnis der Prüfung wurde uns wenige Stunden später mündlich mitgeteilt und es folgte ein persönliches Feedbackgespräch. Und beides war für mich äußerst positiv. Denn überraschender Weise haben nicht alle Teilnehmer die Prüfung bestanden. Ein paar der anderen Umschüler dachten zuerst ich könnte “Durchgerasselt” sein… aber das Gegenteil war der Fall. Mein Ergebnis war das Zweitbeste!
Offensichtlich hatten alle anderen viel mehr Angst als ich. Denn ich bin an die Aufgaben sehr entspannt heran gegangen, weil ich mir bewusst ist, daß ich zu Fehlern neige, wenn ich mich zu arg beeile. Daher bin ich in Ruhe an die Aufgaben heran gegangen und habe alle Fragen in der vorgegeben Zeit geschafft.
Neue Gruppenkonstellation
Ab Dienstag wurde unsere Teilnehmergruppe größer, denn für den technischen Teil wurden wir mit den Auszubildenden im letzten Lehrjahr zusammen gelegt. Logischer Weise sind die vier Hinzugekommenen alles ganz junge Leute. Zum Teil hatten sie die Lerninhalte schon, aber trotzdem haben wir “Quereinsteiger” nicht das Gefühl das sie schon alles wissen. Für die nächsten 3 Wochen werden sie mit uns gemeinsam lernen.
Damit keine unerwünschte Gruppenbildung “Alt gegen Jung” entsteht werden wir für fast jede praktische Übung neu gemischt und in 2er oder 3er Teams eingeteilt. Es wird also nebenbei trainiert das jeder mit jedem klar kommt. Und ich stelle fest, ich kann auch mit einer mir zuvor komplett unbekannten 20 jährigen “Fashionista ” im Signalhandbuch die gewünschte Information unter Zeitdruck finden.
Spreche Dich ab und finde eine Lösung
Ich denke das ist eine der wichtigsten Lektionen die wir momentan lernen müssen. Im Bedarfsfall schnell zusammenraffen und eine gemeinsame Lösung finden. Das heißt innerhalb von wenigen Sätzen herausfinden “Was weist Du schon und welche Information müssen wir gemeinsam suchen”. Witzig war dabei das wir beide im gleichen Nachschlagewerk das gleiche gesucht haben und dabei ganz verschieden vorgegangen sind. Während sie nach den entsprechenden Stichworten sucht, scrolle ich mich durch alle Signalabbildungen bis ich was finde das ich denke das zum gesuchten passt. Mit dieser Taktik waren wir plötzlich schneller als die anderen Gruppen, die ähnliche Aufgaben zu beantworten hatten…
Rückfallebene
Dieses Wort hatte ich bisher nie in meinem Sprachgebrauch obwohl mir schon immer klar war was es bedeutet. Im Rahmen dieser Ausbildung brauchen wir es fast ständig. Denn bei allem lernen wir auch noch einen zweiten Weg. Wenn das Programm nicht geht dann nimm dies oder das. Wenn der dies oder das nicht funktioniert das dann das, usw. Ich muss mein Tablett stets dabei haben, um meine Arbeit die ich sonst mit dem Handy mache notfalls mit dem Tablett tun kann. Das Tablett ist also die Rückfallebene für das Handy.
Diese Woche haben wir aber gelernt was passiert wenn ein Mitarbeiter im Zug nicht da ist oder während der Fahrt plötzlich ausfällt. Wir lernen wo es in den Regelwerken die korrekten Vorgehensweisen gibt für alle Eventualitäten. Denn unterwegs kann so manches auch kurioses passieren. Sowas wie ein Mitarbeiter wird versehentlich am Bahnhof zurück gelassen… was dann?
Aber auch “was tun wir wenn dies oder das ausfällt”. Was passiert wenn der Zug am falschen Ort anhält, wie ist vor zugehen wenn der Zug länger ist als der Bahnsteig…
Wenn was nicht so ist wie gewohnt
Ja was passiert wenn der Zug nicht so ist wie erwartet. Wenn ein anderes Modell gefahren wird. Wenn es ein IC oder EC mit Lokomotive und älteren Wagons ist und was ist zu beachten wenn diese Wagons aus anderen Ländern kommen. Im Fernverkehr sind die Züge international unterwegs und können Wagen aus unterschiedlichen Ländern beinhalten. Die Bezeichnungen und die Bedienung kann hier sehr unterschiedlich sein.
Während die Frage “Wie geht die Türe auf und zu?” ist dabei noch eine ganz einfache. Richtig kompliziert wird es wenn beim Triebfahrzeugführer (Lokführer) etwas nicht so wie gewohnt funktioniert. Fällt sein Hilfsprogramm aus, braucht er einen “Triebfahrzeugführerassistenten”… und dieser kann unter Umständen jemand vom Zugpersonal (also wir !!!) sein. Es kann also passieren das einer von uns vorne in der Lok bzw Triebfahrzeug mit fahren muss. Für diese Fälle müssen wir alle mit den wichtigsten Signalen vertraut sein! Deshalb pauken wir momentan Signale obwohl wir hoffen diese nie zu brauchen. Genauso ist es mit diversen Notsignalen… wir müssen jederzeit wissen wie wir sie abgeben können, hoffen aber sie nie zu brauchen.
Aber ich sehe das so ähnlich wie die Stewardessen im Flugzeug mit den Schwimmwesten… keiner will sie wirklich mal ausprobieren!
Ein Zugbegleiter macht viel mehr
Diese Woche hatten wir auch zwei “Praxis-Ausflüge”. Einer davon hat uns an drei S-Bahn Stationen in Lörrach geführt. Wir lernten dort vor Ort die vorhandenen Signale zu benennen und zuzuordnen. Lustiger Weise sogar an meiner “Heimatstation” das war Lustig… fast direkt vor meine Haustüre hatten wir echte Aha-Erlebnisse. Schon interessant wie man die Dinge die man schon viele Jahre kennt nun ganz anderes war nimmt.

Der zweite Praxis-Ausflug führte uns nur vom Badischen Bahnhof in Basel zum Bahnhof SBB… aber dafür dreimal hin und her mit unterschiedlichen Zügen. Dabei ging es um die unterschiedlichen Fahrzeuge und wie wir diese unmittelbar vor der Abfahrt zu behandeln haben. Wir lernten ganz praktisch was wir bei der “Zug Fertigmeldung” zu tun ist. Zuvor hatten wir in der Theorie gelernt was alles passieren muss in der letzten Minute vor der Abfahrt und was unsere Aufgaben dabei sind. Die Notwendigen Informationen passen fast nicht auf ein A4 Blatt!
In der Realität machen wir alles notwendige innerhalb von Sekunden. Aber auch das muss erst mal gelernt werden. Haha war ich stolz auf meine ersten zwei “Fertigmeldungen”…
Richtig cool war das wir am SBB dann schon gleich dabei einen Sonderfall erlebt haben. Weil die Rollstuhl-Hebebühne wegen einer Säule nicht richtig an den Zug heran fahren konnte musste der ganze ICE komplett fertig gemeldet werden, paar Meter weiter fahren und dann nochmal halten. In so einem Fall muss der gesamte Ablauf erneut beginnen. Das war sehr lehrreich, weil wir so verstehen konnten warum manche Regeln so sind wie sie sind. Binnen weniger Sekunden mussten alle Beteiligten über das Manöver informiert werden. Da wir aber nur “Lernende” waren, wurden wir nicht informiert und standen wir kurz mal mit einem “Hä???” neben dem Zug. Egal, als er wieder stand konnten wir uns wieder einfinden und mit dem erlernten weiter machen. Wieder eine Lektion gelernt 😉
Sehen und Lernen
Während eines unserer Umstiege konnten wir beobachten wie an einem EC (also auch ein von uns betreuter Zug) die Lokomotive getauscht wird. Einen einfachen Rangiervorgang hatte ich früher schon öfter beobachtet. Aber jetzt war es interessant, weil wir die einzelnen Teile benennen konnten und nun wissen was dahinter steckt.

Selbstverständlich habe ich vorher gefragt ob ich Fotos machen darf. Fahrzeuge und wie hier “Tätigkeiten” darf ich zeigen. Nur gibt es dazu niemals genaue Daten wie Zugnummer oder Uhrzeit.

Vor dieser Tätigkeit eines Rangierers habe ich höchsten Respekt und ich verstehe das er bei dieser Arbeit auf keinen Fall gestört oder unterbrochen werden darf! Denn ich weis nun was da im wahrsten Sinne des Wortes “dranhängt”.
Vielen Dank für Deinen Besuch im Samstagsplausch, den ich wieder wie gewohnt bei Karminrot verlinken werde. Wenn Du Dich für Bücher interessierst sieh Dir doch auch mal das Karminrote-Lesezimmer an.
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Kompliment….Hochspannend und sehr informativ.Klasse
Hallo,
Respekt, dass Du dich nach so vielen Jahren für einen Neuanfang entschieden hast. Da gehört auch schon Mut dazu. Und toll, wie du die ersten Prüfungen geschafft hast.
LG Agnes
Na da haste aber den Kopf voll. Aber es liest sich, als wärst du richtig glücklich. Mach so weiter!
Liebe Grüße
Andrea
Weiterhin alles Gute bei der Ausbildung. 🙂
Danke für die Einblicke. Normal-Bahnfahrer wissen ja überhaupt nicht, wie vielfältig eure Tätigkeit ist.
Super weiter so https://media.tenor.com/N2NNeFItpYMAAAAM/charlie-brown.gif