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Immer unterwegs?

Heute möchte ich mal darüber schreiben wie es sich anfühlt wenn man bei der Arbeit ständig „unterwegs“ ist.

Wenn wir Zugbegleiter uns irgendwo in der Dienststelle oder im Pausenraum begegnen fragen wir einander nicht „Wo fährst Du hin“ sondern eher nach Zugnummern und „wie weit?“. Denn ob der Zug in dem wir unsere Arbeitszeit verbringen nun nach Köln, Hamburg oder Berlin fährt ist im Grunde egal. Erfahrene Mitarbeiter wissen schon auswendig welche Zugnummern welche Strecke fahren und somit welche Besonderheiten und Tätigkeiten auf uns zu kommen.

Davon bin ich natürlich noch weit entfernt. Ich bin froh wenn ich mir merken kann wo mein heutiger Zug lang fährt und ich muss immernoch mehrmals am Tag nachsehen mit welcher Zugnummer ich wieder Richtung Heimatdienststelle fahre.

Wann? Womit? Wie weit?

Das sind die drei Fragen die ich mir eigentlich ständig stellen muss. In meinem Dienstplan den ich digital auf dem Handy ständig bei mir habe sind diese Daten klar aufgeschlüsselt. Während einer normalen Schicht begleite ich mindestens zwei Züge, wenn ich Glück habe mit einem hin und mit dem zweiten zurück. Das ist aber nicht immer so, manchmal wechseln wir bis zu 4 Mal während einer Schicht die Züge. Und reisen dabei ein wenig Zickzack durch das Land. In solchen Situationen fällt es mir selber noch ein wenig schwer durchzublicken wo ich nun gerade bin.

Spätestens beim dritten mal in Mannheim umsteigen (am gleichen Tag) bin ich komplett verwirrt. Aber dann heisst es Schauspielern… so tun als blickt man durch und sich nichts anmerken lassen. Aber meine Desorientierung ist sofort verschwunden sobald wir Karlsruhe in Richtung Süden verlassen haben. Ab da fühle ich mich dann schon fast wie zuhause. Der Rest der Strecke ist immer gleich und ich kenne nun auch schon fast alle zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Bahnhöfen.

Aber glaub ja nicht das ich die genauen Uhrzeiten weis!!! Denn in den ersten 4 Wochen die ich nun als Zugbegleiter unterwegs bin war ich vielleicht 2-3 mal im gleichen Zug eingeteilt. Fast jede Schicht ist anders!

Dann kommt ja noch der Faktor Verspätung dazu. Wenn ich im Dienst bin ist es nicht mehr relevant ob der Zug planmäßig umd 16:20 oder 16:30 in Freiburg hält. Die Fahrgäste wollen von mir wissen wann wir heute wirklich in Freiburg sind und meine Antwort lautet dann leider nicht selten 16:45 Uhr oder ähnliches.

Denn die Züge die in Basel enden sind meist schon durch die ganze Republik unterwegs und hatten dabei zahlreiche Gelegenheiten um Verspätungen aufzubauen. Nur selten können die auf dem letzten Stück südlich von Karlsruhe reingeholt werden. Das heist für uns Basler Mitarbeiter fast immer Verpätungs-Ärger kurz vor Feierabend.

Was bedeutet Verspätung für mich?

Wenn unser Zug erheblich verspätet unterwegs ist haben wir im Zug viel mehr zu tun. Wir helfen den Fahrgästen mit alternativen Reiseverbindungen, erklären wie man diese findet, erklären wie das mit der Gültigkeit des Tickets ist, usw. Solange die Fahrgäste in Deutschland weiter reisen wollen ist das auch unproblematisch.

Doch hier in der Ecke wollen viele Fahrgäste nach Frankreich oder in die Schweiz weiter und da gibt es einige Besonderheiten zu beachten. In Frankreich verkehrt der TGV Hochgeschwindigkeitszug für diesen gilt eine Reservierungspflicht. Erreicht ein Fahrgast seinen gebuchten Zug nicht braucht er eine neue Reservierung. Diese können wir nicht machen, aber wir können Auskünfte geben wo man diese bekommt.

Internationalen Fahrgästen müssen wir sehr oft das mit den zwei Bahnhöfen in Basel erklären. Leute aus England, Belgien, USA oder noch weiter weg haben keine Ahnung was Basel Bad und Basel SBB bedeutet. Um es einfacher zu machen erklären wir das der Badische Bahnhof in Basel „german station“ ist und SBB „international“ weil es hier Anschlüsse nach Schweiz, Frankreich und Italien gibt.

Ach ja… mittlerer Weile gehört es zu meinem täglichen Gewohnheiten derartige Dinge in englisch oder französisch zu erklären. Endlich kann ich meine Sprachkenntnisse mal wirklich brauchen!

Wie ist das mit der Arbeitszeit?

Der Zugbetrieb ist so komplex und es gibt immer wieder Abweichungen zum eigentlichen Plan. Neulich waren wir bis Freiburg fast pünktlich unterwegs, doch dann hatte ein Fahrgast einen Epileptischen Anfall und wir mussten die Fahrt stoppen weil ein Notarzt kommen musste. Wir standen also viel länger im Badischen Bahnhof als geplant bis der Patient versorgt und aus dem Zug gebracht wurde. Unsere Schicht ging aber bis Basel SBB wo wir den Zug „abrüsten“ sollten. Also alle Fahrgäste raus, auf Fundsachen kontrollieren usw und dem Schweizer Personal übergeben.

Obwohl wir in unserem Heimatbahnhof standen, machen wir unfreiwillig „überstunden“… Selbstverständlich können wir in so einer Situation nicht einfach den „Bleistift fallen lassen“ und gehen. Wir haben geduldig gewartet bis es weiter geht und haben im SBB unsere Schicht korrekt beendet. Die Rückfahrt vom SBB zum Badischen Bahnhof ist für uns ebenfalls Arbeitzeit, egal ob wir dazu einen ICE oder die S-Bahn nutzen. Alle solche Veränderungen unserer Arbeitszeit müssen wir auf dem Tablet erfassen und zeitnah melden. Denn diese zusätzliche Arbeitszeit bekommen wir gut geschrieben. Deshalb ist es so wichtig das wir derartige Abweichungen immer korrekt erfassen.

Haben wir jedoch wegen einer größeren Störung viel mehr Verspätung kann es passieren das wir über unsere zulässige Arbeitzeit kommen, in so einem Fall kann es sein das wir eher abgelöst werden und den Rest der Fahrt als Fahrgast fahren. Oder in extremfällen auch mal irgendwo absteigen und übernachten müssen. Aber dies ist mir noch nicht passiert.

Das extremste war damals bei einer Einweisungsfahrt ein Sturmschaden an einer Oberleitung. Unser Zug war in Freiburg gestrandet und weil wir 3 Auszubildende und eine Trainerin waren, die am nächsten Tag Unterricht hatten, wurde ausnahmsweise eine Taxifahrt von Freiburg nach Basel genehmigt. Die restlichen Kollegen im Zug kamen erst mit 3 Stunden Verspätung nach hause! In so einem Fall muss unter Umständen der Dienstplan für den nächsten Tag geändert werden, damit der Mitarbeiter genügend Nachtruhe hat.

Dieses Bild ist irgendwann in den letzten 3 Wochen entstanden, als ich mal kurz TU (planmäßige Tätigkeitsunterbrechung) hatte. Mir fällt auf das ich noch kein einziges Bild habe das mich stehend im Zug zeigt, dabei ist das eigentlich viel typischer für meine Arbeit. Ich warte noch auf eine günstige Gelegenheit um Kollegen zu bitten ein paar Fotos von mir zu machen. Das ist nicht so ganz einfach, denn es sollten keine Fahrgäste mit drauf sein.

Es ist jeden Tag spannend

Es kann jeden Tag irgendwas sein was vom Plan abweicht, damit müssen wir Bahnmitarbeiter stets rechnen. Auch darin entwickelt man eine gewisse Routine. Ich finde den Spurch „erstens kommt es anders, zweitens als man plant“ ganz passend.

Für mich persönlich bedeutet das allerdings das ich fast jeden Tag davon ausgehe das ich „voraussichtlich um soundsoviel Uhr“ nach hause komme. Manchmal wirds halt später. Da auf mich zuhause niemand wartet ist mir das relativ egal. Aber ich kann mir vorstellen das Kollegen mit Familien da ein Problem haben.

Erst Chillen dann Arbeiten

Das ist für mich eine echte Umstellung. Heute zum Beispiel beginnt mein Arbeitstag erst um 16 uhr. Ich habe ohne Wecker so lange geschlafen bis ich wach wurde und sitzte nun gemütlich mit (meiner dritten) Tasse Kaffee auf der Couch und schreibe diesen Blogpost. Gleich gibt es gemütliches Frühstück und dann werde ich mir die Haare färben und meinen Koffer für das Wochenende packen. Entspannung und Freizeit vor der Arbeit gab es früher nur selten…

…ach habe ich schon erwähnt das ich Montag um 5:55 Uhr und Dienstag um 4:40 Uhr Dienstbeginn hatte? Mittwoch hatte ich frei. Mitten in der Woche den Rhythmus so zu wechseln ist nicht so angenehm, aber heute habe ich eine zusätzliche Dispo-Schicht die ich freiwillig übernommen habe, da ich den Rest der Woche am Stück frei haben wollte.

Morgen bis Sonntag fahre ich mit meiner Schwester und einer guten Freundin nach Bottrop wo wir einen Auftritt von Nino de Angelo besuchen und anschliessend meinen Geburtstag feiern. Ich freue mich darauf!