Wer entscheidet was Du kannst und was nicht? Welche Faktoren entscheiden was Du Dir zutrauen kannst und was nicht. Wie läuft die Entscheidung “das kann ich nicht” unterbewusst ab?
In dem vergangenen 12 Monaten habe ich gleich mehrfach darüber umdenken müssen was ich “kann” und was nicht. Aufgrund einer Fußverletzung war ich schlagartig eingeschränkt und konnte schon ganz einfach Dinge plötzlich nicht mehr. Ich musste das erste Mal im Leben so richtig krass erfahren wie das ist wenn man nicht mehr so kann wie man es gewohnt ist.
Wer sagt Dir was Du kannst? Der Arzt?
Früher dachte man ein Arzt hat immer Recht, und er weiß genau was mit Deinem Körper los ist und was Du ihm zutrauen kannst und was nicht. Pustekuchen!
Ich musste die Erfahrung machen das die Aussagen von Ärzten manchmal völlig falsch sind und diese überhaupt nicht einschätzen können was ich wirklich kann und was nicht. Nach einem Arbeitsunfall meinten 2 Ärzte ich hätte wohl eine Bänderdehnung und könnte nach 10 -14 Tagen Ruhe wieder normal arbeiten gehen. Dazu muss gesagt werden das ich einen Beruf habe bei dem ich den ganzen Tag stehe und viel hin und her laufe. Ohne Stehen und Laufen geht mein Job nicht .
Brav und Pflichtbewusst glaubte ich den Aussagen der beiden Ärzte und versuchte nach 2 Wochen wieder zu arbeiten. Es tat weh… aber ich dachte ich sei einfach nur wehleidig und müsse da jetzt durch. Binnen weniger Tage nahm ich 2 Packungen Schmerzmittel, so das die Apothekerin schon meinte “gehen Sie nochmal zum Arzt”. Wochenlang kam ich immer wieder in die Praxis, so das Arzt und Arzthelferinnen schon von mir genervt waren. Die Schmerzen im Fuß wurden immer schlimmer, weil ich mich ja an die Anweisung vom Arzt “lassen Sie die Krücken weg und belasten Sie normal” gehalten habe.
Erst nach über 4 Wochen wurde bei einem MRT ein gebrochener Knochen und eine Entzündung festgestellt. Von einer Minute auf die andere hieß es plötzlich “nicht mehr belasten”!
Von einen Tag auf den anderen von “sie können arbeiten” zu “auf keinen Fall belasten” !!!
Geplant war das ich mit meiner Mutter am 3. Oktober den Park in Ettenbühl besuche… nun ja wir waren dort… und meine 79 jährige Mutter hat mich in einem Rollstuhl durch den Park geschoben, so schnell kann es gehen!
Wenn sich “ich kann das nicht” im Kopf fest setzt
Aufgrund der Entzündung musste ich den Fuß wochenlang entlasten, was ich wegen der erheblichen Schmerzen (die noch schlimmer wurden) auch bereitwillig tat. Doch plötzlich war der Lebensmittelmarkt um die Ecke kaum noch erreichbar. Die Treppen in den 2. Stock was unüberwindbar.
Ich entwickelte komische Taktiken um möglichst wenig in der Wohnung hin und her laufen zu müssen. Mein Lebensbereich beschränkte sich fast nuryy noch auf einen Raum…
Doch dann als es besser wurde… war es im Kopf noch nicht besser. Es gab Situationen das ich vor einem Gullideckel stehen geblieben bin weil ich mich nicht traute darüber zu gehen.
In der Physiotherapie musste ich mühsam lernen wie einfachste Bewegungen funktionieren, und vor allem musste ich bei jeder Kleinigkeit erst wieder lernen das sie nicht weh tun. Dieses “das wird jetzt gleich wieder schlimm weh tun” war so in meinem Unterbewusstsein verankert.
Wer sagt mir das ich das kann? Ich muss das selber machen!
Wochenlang sagte mir der Physiotherapeut “das kannst Du”, doch ich konnte und wollte ihm oft erst nicht glauben. Manchmal hatte ich das Gefühl er behandelt mehr mein Denken als meinen Fuß.
Mein Hauptproblem war dann meine untrainierte Muskulatur, die ja beim ersten aktivieren auch ein wenig weh tun kann. Doch in meinem Gehirn kam starker Schmerz an. Es gab ein paar Tage (und vorallem Nächte) da hatte ich das Gefühl der Schmerz aus dem Mittelfuß verteilt sich über das ganze Bein bis hin in den Rücken.
Tagelang quälten mich die Gedanken “Ich kann nicht laufen”. Und damit verbunden Existenzängste, wovon sollte ich Leben wenn ich nicht mehr arbeiten kann.
Ich musste lernen mir selbst zu sagen “ich kann laufen”. Ich suchte mir kleine Ziele die ich zu erreichen versuchte… “ich kann bis zu nächsten Bushaltestelle gehen”… “ich kann durch den Supermarkt gehen ohne mich am Regal fest zu halten”
Ich habe die Erfahrung gemacht, das Ärzte zwar Empfehlungen geben können, aber wirklich entscheiden wie viel Schmerzmittel Du brauchst oder wann Du deinen Körper wieder mehr belasten kannst musst Du allein.
Bei diesen Entscheidungen spielen ganz viele alte Faktoren mit
Bei diesen vielen kleinen Entscheidungen “was kann ich und was kann ich nicht” spielen ganz viele Faktoren im Hintergrund mit. Und den wenigsten sind wir uns bewusst:
- Erfahrungen die wir vor kurzem Gemacht haben
- Erfahrungen die wir früher in ähnlichen Situationen gemacht haben
- Erfahrungen von Menschen im Umfeld und was wir wie davon mitbekommen haben
- Erfahrungen der Eltern und Grosseltern
- Ängste der Eltern
- die eigenen Ängste aus der Kindheit/Jugend
- was Andere über Deine Situation sagen
- was Du denkst was andere über Deine Situation denken
Als ich bevor der Bruch diagnostiziert wurde waren meine Entscheidungen viel zu sehr davon geprägt was meine Arbeitskollegen wohl denken und sagen. Und was meine Mutter am Telefon meinte “geh nicht nochmal zum Arzt der kann auch nix machen, reiß Dich zusammen!”
Als es am schlimmsten war, da traute ich mir noch nicht mal mehr zu in die Duschwanne zu stehen, weil ich Angst hatte zu stürzen. Mein Vertrauen in meinen Fuß und mein Selbstvertrauen waren dahin.
Wie sehr mich in dieser Situationen Aussagen von meiner Oma und Mutter die ich als Kind gehört hatte mit beeinflusst haben wurde mir erst viel später klar. Meine Oma sagte manchmal “wenn man nicht mehr laufen kann, dann kann man sich auch nicht mehr selber versorgen und fängt an zu stinken”. Sie sprach von ganz alten Leuten die im Rollstuhl saßen und gewaschen werden mussten… aber ich übertrug unterbewusst diesen Zusammenhang nicht laufen zu können mit sich nicht richtig waschen zu können… Bewusst wurde mir das erst als ich am Telefon zu meiner Schwester sagte “ich stinke wie ein Altersheimbewohner”
Von Klein auf “lass das, das kannst Du nicht!”
Ich bin von frühester Jugend mit solchen Aussagen aufgewachsen “lass das, das kannst Du nicht”, “das geht nicht”. Diese immer wieder gehörten Sätze die sich am Anfang wohl auf Klettergerüst und co bezogen haben prägten mich in meiner Jugend. Ich habe nicht das Gymnasium besucht, obwohl ich mehre Klassen eine der besten war und mehrfach die Empfehlung der Lehrer bekommen habe. Immer nur weil meine Mutter meinte “das kannst Du doch nicht”… “Latein… kannst Du doch nicht”. Obwohl ich die Mittlere Reife mit 1,2 und Auszeichnung abgeschlossen habe, habe ich nicht das Abitur gemacht. Weil meine Mutter meinte ich sollte es gar nicht erst versuchen…
Meine jüngere Schwester hat Abitur und Fremdsprachen-Fachschule gemacht. Ihr war es egal ob jemand sagt “das kannst Du nicht”.
“Das kannst Du” gegen “das kannst Du nicht”
Während der Rehabilitationsphase nach meiner Verletzung kämpften permanent mehrere Gedankenmuster in meinem Kopf. Nein ich war nicht in einer Reha oder Kur, ich habe alles zuhause mit mir alleine ausgemacht.
Wenn mein Fuß “Aua” meldete konnte ich binnen Buchteile von Sekunden diese Situation verschieden bewerten “oh nein wie Schrecklich, ich kann nicht weiter” oder “Jammer nicht, lauf weiter” oder “Du kannst gar nicht mehr weh tun, Du bist schon längst wieder gesund”…
Es kam mir vor als wenn ich dauernd mit dem Fuß (bzw dem Schmerz) und mit meinen Gedanken rede.
Jede Kleinigkeit konnte ich so oder so bewerten und es fiel mir zu Anfang schwer die positive Variante zu wählen. Erst nach und nach, nach mehren kleinen Erfolgserlebnissen lernte ich wieder eine gesunde Sichtweise auf die Situationen.
Heute muss ich nicht mehr darüber nachdenken ob ich über einen Gullideckel drüber laufen kann und ob ich dafür die richtigen Schuhe an habe. (es gab eine Zeit da glaubte ich nur in einem Paar Schuhe wirklich sicher gehen zu können).
Erfolgserlebnisse feiern, darüber reden hilft
Ich habe festgestellt das es mir unheimlich hilft wenn ich über meine Erfolge spreche oder schreibe. Sicher gab es ein paar Leute in meinem Umfeld die schon genervt waren wenn ich ihnen erzählt habe “heute bin ich 1km ohne Pause machen zu müssen gelaufen”. Aber solche positiven Berichte haben mich aufgebaut. Ein wichtiger Motivator dabei war der Schrittzähler in meinem Samsung Handy. Mit S-Health konnte ich meine Erfolge messen und aufzeichnen. Sehr motivierend ist dann auch mal hin und wieder paar Wochen zurück zu blättern und zu sehen wie viel weiter und schneller man die Wege jetzt schafft.
Mittlerer Weile ist meine Leistungsfähigkeit fast wieder normal, noch nicht ganz so wie sie vorher war (ich erinnere mich an Spaziergänge von 14-18 km das packe ich noch nicht. Aber ich bin auf dem richtigen Weg!
Ich möchte mir selbst beweisen “ich kann!”
Deshalb habe ich beim Badischen Tretroller Cup mitgemacht, obwohl ich vorher noch nie Tretroller gefahren bin. Ich wollte mir und der Welt beweisen das ich auch was ungewöhnliches schaffen kann ohne schlapp zu machen. Und es ist mir gelungen!!! Wie es mir beim meinem ersten Tretroller Rennen ergangen habe ich in einem Artikel beschrieben.
Fazit:
Mach Dir Gedanken darüber warum Du Dir irgendwas nicht zutraust, weißt Du das Du es nicht kannst oder vertraust Du nur falschen alten Aussagen von anderen?